In sieben Schritten zu DiversitÀt im CRM
24.10.2022
Technologische Anpassungen, um die Ansprache fĂŒr Intersexuelle im CRM zu realisieren
AlljĂ€hrlich zeigen Unternehmen ihr Logo wĂ€hrend des Pride Month in Regenbogenfarben in den sozialen Netzwerken. Doch obwohl die Unternehmen (zurecht) DiversitĂ€t bekunden, erhielten viele Firmen negatives Feedback von (potenziellen) Kund:innen. Grund dafĂŒr: Bei aller Offenheit hinken die IT-Systeme teilweise hinterher und gehen von einer binĂ€ren Geschlechterteilung aus, wĂ€hrend die Firmenkultur schon einen Schritt weiter ist. Anrede-Formen fĂŒr Personen, die sich nicht eindeutig dem mĂ€nnlichen oder weiblichen Geschlecht zugehörig fĂŒhlen, sind lĂ€ngst nicht ĂŒberall Standard, obwohl seit 2018 das dritte Geschlecht eine juristische Grundlage hat und deren Nichtbeachtung rechtliche Konsequenzen haben kann. Mit dieser Gesetzesgrundlage wurde offiziell eine dritte Geschlechtskategorie im Personenrecht geschaffen. Der fĂŒr die Gleichberechtigung wichtige Schritt erfordert in der CRM-Praxis einige Anpassungen. Welche das sind und wie sich diese umsetzen lassen, beschreiben wir im Folgenden.
Intersexuell, divers oder drittes Geschlecht, mit diesen Begrifflichkeiten sind Menschen gemeint, die sich weder dem weiblichen noch dem mĂ€nnlichen Geschlecht zuordnen. Das Bundesverfassungsgericht urteilte 2017, dass es diskriminierend und verfassungswidrig ist, diesen Fakt nicht im Geburtenregister zu hinterlegen und bewirkte somit die Ănderung des Personenstandrechts. Seither gibt es eine dritte Option fĂŒr die Geschlechtseintragung â damit wurde divers, neben weiblich und mĂ€nnlich, ebenfalls als offizielle Geschlechtsbezeichnung festgelegt. Soweit das Geburtenregister, doch diese offizielle Regelung muss auch in unserem tĂ€glichen Leben, und damit auch im GeschĂ€ftsalltag, Anwendung finden. Da dieser an vielen Stellen digitalisiert ist und man bei jeder Bestellung, bei jeder Transaktion im Banking, jeder Registrierung in einem Portal oder bei einem Bewerbungsprozess seine Daten hinterlegen muss, und man entsprechend angesprochen wird, sind Anpassungen im Customer-Relationship-Management (CRM) unweigerlich umzusetzen.
Dieser Artikel ist zuerst auf www.marketing-boerse.de erschienen.
Wir beschreiben im Folgenden welche sieben Schritte dafĂŒr notwendig sind.
Schritt 1: Ăberblick verschaffen
Zu Beginn sollten alle entsprechenden Systeme und Prozesse gesichtet werden, um den Umfang des Vorhabens genau ĂŒberschauen zu können. Dies kann z.B. die CDP, das DWH oder die Lösung fĂŒr die Marketing Automation sein. Dabei sollte aber nicht nur an die Kundenkommunikation gedacht werden – auch der Bewerbungsprozess sowie die interne Kommunikation und interne Applikationen mĂŒssen unter die Lupe genommen werden. SchlieĂlich ist die korrekte Ansprache der eigenen Mitarbeiter:innen und potenzieller Arbeitnehmer:innen ebenfalls von essenzieller Bedeutung.
Schritt 2: Vorgehen â Projektplan & Setup planen
Sobald klar ist, welche Systeme alle von den Ănderungen betroffen sind, kann ein Plan zur Umsetzung erarbeitet werden. Da bei den Anpassungen verschiedenste Abteilungen und Bereiche involviert sind, ist eine ĂŒbergreifende Planung essenziell. Ob das Vorgehen dabei agil oder traditionell umgesetzt wird, hĂ€ngt von den Vorlieben und Gewohnheiten des Unternehmens ab. Da dieses Projekt umfangreich ist und mehrere Abteilungen, Systeme und Bereiche betrifft, bietet das agile Vorgehen die notwendige FlexibilitĂ€t, um auf neue und sich Ă€ndernde Anforderungen zu reagieren.
Schritt 3: Kommunikations-Guidelines festlegen
Falls noch nicht vorhanden, sollten mit der Kommunikationsabteilung, Human Ressources sowie technischen Vertreter:innen Kommunikations-Konzepte abgestimmt werden, die unternehmensweit zum Einsatz kommen und welche die technische Realisierung determinieren. Denn es gibt â je nachdem wie höflich und formell kommuniziert wird – unterschiedliche AnsĂ€tze eine genderkonforme Ansprache umzusetzen.
Eine Anpassung der Formulierung der Adresse im Briefkopf ist unkompliziert zu handhaben. Hier kann Herr oder Frau weggelassen und nur Vor- & Nachname aufgedruckt werden.
Toni MĂŒller
MusterstraĂe 1
12345 Musterstadt
Die Anrede im Newsletter, einem Brief oder einer SMS könnte analog lauten âHallo Toni MĂŒllerâ, oder âGuten Tag Toni MĂŒllerâ bzw. wenn die Unternehmenssprache das DU vorsieht, einfach âHallo Toniâ. Aber wie sieht es mit formelleren BegrĂŒĂungsarten wie âSehr geehrteâ oder âSehr geehrterâ aus? Der Bundesverband Trans* schlĂ€gt bei solchen FĂ€llen vor die genderspezifische Endung durch einen Stern zu ersetzten, sodass daraus âSehr geehrt*e Toni MĂŒllerâ oder âLiebe*r Toniâ wird.
Generell besteht auch die Möglichkeit kreativ zu werden und geschlechtsspezifische Formulierungen ganz wegzulassen, sodass eine Anrede fĂŒr Mitarbeiter:innen âLiebe Mitarbeitendeâ lauten könnte. Gegebenenfalls besteht fĂŒr Kund:innen und Mitarbeiter:innen ohnehin bereits eine Firmen-spezifische Bezeichnung, sodass diese verwendet werden kann.
Das ausgearbeitete Konzept sollte eingĂ€ngig fĂŒr mögliche Szenarien geprĂŒft werden. Dabei sollten auch Kombinationen, die im Zusammenspiel mit weniger gĂ€ngigen Anredeformen wie z.B. Adelstiteln zustande kommen, nicht auĂer Acht gelassen werden.
Wenn die Ansprachen festgelegt sind, kann es an die (technische) Umsetzung gehen.
Schritt 4: Datenbasis um AusprÀgung erweitern
Bereits wĂ€hrend, oder direkt nach der Festlegung von Kommunikations-Guidelines, gilt es alle relevanten Datenbasen um die AusprĂ€gung divers in der Anrede zu erweitern. Nur so kann das zuvor abgestimmte Ansprache-Konzept angewendet werden. Wichtig ist, dass keine Datenhaltungsorte vergessen werden und die fĂŒhrende Datenquellen die richtigen AusprĂ€gungen enthalten. Dies kann unter anderem dadurch erreicht werden, dass man Prozessketten und Beladungszyklen verfolgt. AuĂerdem sollte von Default-Werten Abstand gehalten werden.
Ein Risiko-Faktor kann hier die Datenmigration von verschiedenen Systemen sein. Dabei sollte beachtet werden, ob eine Nicht-BefĂŒllung der Anrede bewusst erfolgt ist, und somit auch zwingend beibehalten werden muss, oder ob es sich um einen unvollstĂ€ndigen Datensatz handelt.
Schritt 5: Exporte anpassen
Ist die Datenbasis angepasst und das Kommunikationskonzept abgestimmt, mĂŒssen die Exporte, z.B. fĂŒr Kampagnen in der Marketing Automation und fĂŒr alle Kommunikationen genutzt, verifiziert bzw. geĂ€ndert werden. Konkret an einem Beispiel betrachtet, bedeutet das, dass je nach Konzept Anreden in Newslettern, Briefen, Chat-Bots, SMS und sonstigen Kundenkommunikationen die zu ĂŒbermittelnden Personalisierungsfelder geĂ€ndert werden mĂŒssen. Gab es in einem Newsletter frĂŒher die Personalisierungsfelder âHallo Herr MĂŒllerâ und wird das neue Konzept mit der Anrede âHallo Toni MĂŒllerâ angewandt, mĂŒssen die Felder Anrede und Vorname weggenommen bzw. hinzugefĂŒgt werden.
Schritt 6: Eingabemasken ergÀnzen
Was nicht vergessen werden sollte, aber sehr wichtig und auch direkt sichtbar fĂŒr (potenzielle) Kund:innen, Bewerber:innen und Mitarbeiter:innen ist, sind Eingabemasken in Portalen oder Anmeldeformularen. Registriert sich ein (potenzielle:r) Kund:in online, weil z.B. eine Bestellung erfolgen soll oder ein Kundenkonto eröffnet, mĂŒssen dafĂŒr Daten angegeben werden. Dabei wird oftmals die Anrede abgefragt. Falls nicht bereits vorhanden, sollte neben den Anredeoptionen Mann oder Frau auch die Option Divers auswĂ€hlbar sein. ZusĂ€tzlich kann auch die Anrede so angelegt sein, dass sie kein Pflichtfeld ist und die Angabe offengelassen werden kann. Diese Auswahl sollte dann jedoch auch in der Datenbasis widergespiegelt werden (siehe Punkt 4).
Schritt 7: Texte anpassen
Eine weitere Aufgabe, die etwas ferner von der Technik ist, beinhaltet die Sichtung und Ăberarbeitung von Texten auf Webseiten, Kundenkommunikationen, Marketingmaterialien, HR-Unterlagen sowie in internen Portalen. Analytics- und Search-Technologien können dabei helfen Passagen, die geĂ€ndert werden sollen, zu identifizieren und zu Ă€ndern. Die tatsĂ€chliche Umsetzung sollte vor der öffentlichen Verwendung jedoch auf jeden Fall noch einmal von den Mitarbeitenden geprĂŒft werden, um Fehler zu vermeiden.
Das Befolgen der genannten sieben Schritte ist ein erster wichtiger Meilenstein in Richtung der korrekten Ansprache und sollte von Unternehmen, welche DiversitĂ€t bekunden, umgesetzt werden. Mit dem Abhaken einer Checkliste ist das Thema jedoch nicht erledigt: Jeder darauffolgende Post auf den unternehmenseigenen Social-Media-KanĂ€len, jeder Newsletter und jeder Brief muss nach dem verabschiedeten Konzept gestaltet werden. Das Konzept wird mit zunehmendem Gebrauch und mit der Zeit in die Arbeitsroutine ĂŒbergehen und genau darum geht es bei dem Thema der Gleichberechtigung.
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